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Kommerzielle Archäologie – Teil 1 Grabungsfirmen

Die Archäologie in Deutschland ist überwiegend staatlich organsiert. Der größte Teil, der im Fach Beschäftigten ist an Universitäten, Denkmalpflegebehörden oder Museen fest oder befristet angestellt. Vor mehr als 25 Jahren begann mit der Gründung erster Grabungsunternehmen ein Privatisierungsprozess, der im Kreis der institutionellen Archäologie durchaus kritisch betrachtet wurde.
Wie ist die Situation dieser Unternehmen heute? Welche Aufgaben nehmen sie war? Wie hat sich der Markt entwickelt?

Entwicklung deutscher Grabungsunternehmen

Zu Beginn der 1990er Jahre wurden in einigen Bundesländern private Unternehmen in die bis dahin hoheitliche Aufgabe der Bodendenkmalpflege mit einbezogen. Diese oft auch als „Privatisierung“ bezeichnete Maßnahme wurde zuerst in Nordrhein-Westphalen und Brandenburg umgesetzt. Bayern folgte Anfang der 2000er Jahre dieser Praxis.
Der Grund für diese Entwicklung ist zum einen in der Anwendung des Verursacherprinzips auf Bodendenkmalpflege, und zum anderen in dem Paradigmenwechsel innerhalb der Behörden, weg von ausführenden, hin zu beratenden Institutionen zu sehen.
Während in den 1990er das Thema innerhalb des Faches sehr kontrovers diskutiert wurde, gehört die Vergabe von verursacherinduzierten bodendenkmalpflegerischen Maßnahmen heute in vielen Bundesländern zum Tagesgeschäft.
Grabungsunternehmen arbeiten privatwirtschaftlich im Auftrag des Verursachers bzw. Veranlasser eines Bodeneingriffs. Im Regelfall bedeutet das für einen Bauherren, dass er die Kosten der Grabungsarbeiten zu tragen hat.

Wie viele Grabungsfirmen gibt es in Deutschland



Der Markt für Grabungsfirmen ist recht unübersichtlich. Die bekannteste Suchplattform im Internet dürfte die Bamberger Liste sein, wo die meisten deutschen Firmen gelistet sind. Die Aktualisierung der Liste lässt jedoch zu wünschen übrig. Etwa ein Drittel der dort aufgeführten Unternehmen ist via Internet nicht mehr auffindbar, was wahrscheinlich bedeutet, dass sie nicht mehr am Markt tätig sind.
Darüber hinaus können Grabungsunternehmen auch über die Seiten verschiedener Verbände sowie andere Webseiten recherchiert werden:

• Bundesverband freiberuflicher Kulturwissenschaftler (BfK)
• Verband der archäologischen Fachfirmen NRW (VAF)
• Landesverband selbstständiger Archäologen in Bayern e.V. (SAB)
• Interessengemeinschaft Freier Archäologen, Techniker und Restauratoren B.-A.-R. IG
• Archäologie Online

Insgesamt sind in Deutschland Anfang dieses Jahres (2017) 86 Unternehmen tätig. Wobei die größten Firmen an mehrere Standorten Niederlassungen betreiben. Der Umsatz dieser Big Player wird zusammen auf etwa zwei Million Euro geschätzt .

Einige Unternehmen sind an internationalen Projekten staatlicher Forschungsinstitutionen beteiligt. Die Zahl dieser Firmen ist jedoch sehr gering und ist weniger durch die Grabungstätigkeit als vielmehr durch eigene Entwicklungen in den Bereichen Prospektion, Vermessung oder Software begründet.

Nur wenige deutsche Grabungsfirmen sind auch im innereuropäischen Ausland tätig. Auch Firmen aus dem europäischen Ausland sind verhältnismäßig selten im deutschen Markt anzutreffen, was wohl auf die fehlenden Sprachkenntnisse zurückzuführen ist. Wissenschaftliche Grabungsberichte sind in aller Regel bei den Behörden in deutscher Sprache vorzulegen.


Wo sind die meisten Grabungsunternehmen ansässig?



In Bayern sind mit großem Abstand die meisten Grabungsunternehmen ansässig. Danach folgen Nordrhein-Westphalen und Brandenburg. In allen drei Ländern arbeiten die Bodendenkmalbehörden seit langer Zeit mit privaten Unternehmen zusammen.
Nicht alle Bodendenkmalpflegebehörden erlauben den Einsatz von Grabungsfirmen in ihrem Einflussbereich. In Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westphalen, und Niedersachsen wird die praktische Bodendenkmalpflege an private Träger abgegeben, wohingegen Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht mit Grabungsfirmen zusammenarbeiten. In Mecklenburg-Vorpommern kommen oder kamen Grabungsfirmen immer wieder in Einzelfällen zum Einsatz. In Baden-Württemberg wird die Beauftragung von Grabungsunternehmen in naher Zukunft zugelassen werden.

 
 

Wie groß ist der Markt?

Die Größe des Marktes für archäologische Ausgrabungen ist schwer zu schätzen. Zahlen über Umfang und Kosten der durchgeführten Maßnahmen werden von den Behörden nur unregelmäßig publik gemacht. Im privaten Sektor sind die Kosten nicht fassbar, da die Summen oft zwischen dem Verursacher und den Unternehmen verhandelt werden und nicht überall den Behörden zur Kenntnis kommen.
In Thüringen wurden im letzten Jahr etwa 60 Ausgrabungen veranlasst, die bei den Investoren mit etwa 2,3 Millionen Euro zu Buche schlugen . Von einem ähnlichen Volumen kann in Baden-Württemberg ausgegangen werden. Hier wurden 2015 mehr als 80 Ausgrabungen durchgeführt .
Am anderen Ende der Skala stehen Länder wie Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westphalen. In Sachsen-Anhalt wurden 2016 mehr als 460 Maßnahmen durchgeführt . Während in Nordrhein-Westphalen der Umsatz der verursacherinduzierten Ausgrabungen für das Jahr 2013 mit mehr als 40 Millionen Euro beziffert wurde .


Ausblick



Mit der gesetzlichen Verankerung des Verursacherprinzips in den Denkmalschutzgesetzen aller Bundesländer ist perspektivisch ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Ausgrabungen im gesamten Bundesgebiet weiter zunehmen wird.
Sollte zudem das Verbandsklagerecht wie vom Europäischen Gerichtshof gefordert auf die Denkmalpflege ausgeweitete werden, ist von einem weiteren Anstieg der Maßnahmen zur rechnen.
Doch auch ohne Verbandsklagerecht gilt auch für das Verursacherprinzip der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit, was bedeutet, dass die Durchführung archäologischen Maßnahmen nicht mehr optional mit wissenschaftlichen Schwerpunkten, sondern systematisch erfolgen muss. Dies schlägt sich in der Verankerung der archäologischen Belange in der Bauleitplanung und Raumordnungsplänen nieder und ist vor allem mit eine verwaltungstechnischen Mehraufwand für die Behörden verbunden.
Demgegenüber steht die ständige Personalreduzierung im öffentlichen Dienst, die dauerhaft auch nicht mit befristet eingestellten Personal gelöst werden kann, wie die Vorgänge in Baden-Württemberg vor kurzem gezeigt haben.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erscheint der zunehmende Einsatz Grabungsunternehmen ein gangbarer Weg, der den Interessen der Bodendenkmalpflege, der wissenschaftlichen Mitarbeiter und nicht zuletzt auch der Investoren gerecht wird.

5 Comments

  1. Falk Näth sagt:

    Mittlerweile gibt es ca. 140 aktive Firnen in Deutschland. Ich würde den Umsatz ebenfalls sehr deutlich nach oben korrigieren. Es ist immer wieder bemerkenswert, welche Vorstellungen über die Marktkraft archäologischer Firmen kursieren. Wo haben Sie Ihre Zahlen her?

    • Die Zahlen zum den Grabungsfirmen stammen aus den oben genannten Portalen, die wie gesagt auch nicht alle auf dem neuesten Stand sind. Etliche der dort genannten Firmen sind im Web nicht mehr recherchierbar bzw. verfügen über einen eigenen Internetauftritt. In diesem Fall gehe ich davon aus, dass diese Unternehmen nicht mehr am Markt tätig sind.
      Die Umsatzzahlen stammen sämtlich aus der öffentlichen Presse. Die Quellen werde ich dem Beitrag noch anfügen. Leider ist es so, dass nicht alle Behörden die Zahlen von verursacherinduzierten Maßnahmen publizieren. Möglicherweise werden sie auch nicht überall erhoben. Gerade in Niedersachsen dürfte es, aufgrund der Trennung von kommunaler und Landesarchäologie, ziemlich schwer sein verlässliche Zahlen für das gesamte Land zu bekommen.
      Die angegebenen 40 Millionen Umsatz beziehen sich lediglich auf Nordrhein-Westfalen (im Jahr 2013), so dass ich Ihnen zustimmen und einen, auf das Bundesgebiet bezogenen, deutlich höheren Betrag im neunstelligen Bereich ansetzen würde.

  2. Ein sehr schöner Artikel, der zu Kommentaren und Diskussionen einlädt. Zu dem Bereich Bodendenkmalpflege lassen Sie mich bitte anmerken, dass die praktive Bodendenkmalpflege in Niedersachsen nicht an private Träger abgegeben wird, da dies rechtlich gar nicht möglich ist. Bei der Bodendenkmalpflege handelt es sich um eine hoheitliche Aufgabe, die privaten Firmen m.W. nicht übertragen werden kann.
    Ich würde dies auch nicht als einen Ersatz sehen (Grabungsfirmen anstatt des staatlichen oder kommunalen Handelns), sonders es sollte im Idealfall ein kooperatives Miteinander entstehen, Grabungsfirmen und Denkmalschutzbehören können sich ergänzen und einen archäologischen Mehrwert schaffen. Dies sollte das Ziel sein.

    • Danke für den Kommentar.
      Der Begriff praktische Bodendenkmalpflege war in diesem Zusammenhang auf die Durchführung von Ausgrabungen, nicht auf die Wahrnehmung der denkmalpflegerischen Aufgaben bezogen. Sollte das in dem Beitrag nicht deutlich geworden soin, so möchte ich es hier noch einmal betonen.

  3. Jan Bock sagt:

    In der Tat einmal ein schöner Überblicksbeitrag, der sicherlich in Kürze nach einer Fortsetzung schreien wird, stehen doch verschiedene Entwicklungen an, die diesen Bereich der Archäologie mittelbar oder unmittelbar betreffen werden. – Etwa die angedachte anstehende Gründung eines Berufsverbandes für Archäologen oder die Öffnung weiterer Räume für Grabungsfirmen (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern…) insbesondere im Zuge der Einführung des Veranlasserprinzips im Denkmalrecht, aber auch bereits stattfindende Diskussionen innerhalb der freiberuflichen Archäologie um (wenige!) schwarze Schafe (unseriöse Dumping-Angebote, Lohndumping, dauerhafte Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen usw.).

    Ansonsten noch zwei Ergänzungen:
    – (Bereits von Falk Näth angemerkt…) Dass der Umsatz der großen Firmen zusammen etwa 2 Mio Euro betragen soll, ist mit SIcherheit eine völlig fehl gehende Größe! Das ist eine Größenordnung, die große Grabungsfirmen jeweils für sich erwirtschaften sollten.
    – Die genannten Listen beinhalten tatsächlich zunehmend Einträge, die entweder veraltet sind, keine Grabungsfirmen abbilden, sondern verwandte Dienstleister oder nur „Briefkasten-Sitze“ sind (wodurch eine „niedersächsische“ Firma auf einmal über eine Berliner Vorwahl verfügt…). Filtert man Firmen nach ihrem Sitz und nach „echten“ Firmen (Personengesellschaften, also GbR oder GmbH), so sind beispielsweise in Niedersachsen derzeit fünf Grabungsunternehmen ansässig (bei 18 Einträgen auf der Bamberger Liste).